Meine liebste Frage: Warum?

Wir können nicht verhindern, andere anhand unserer eigenen Einstellungen und Erfahrungen zu beurteilen, manchmal sogar verurteilen. Alle schreien nach Neutralität, doch die ist beinahe unmöglich. Wir können uns ihr aber annähern, indem wir unsere Meinung nutzen, um uns in Gebiete jenseits unserer Einstellungen und Erfahrungen zu leiten.

Beispiel:

Eine Frau postet im Internet, dass sie samt ihrer zwei Kinder auf der Straße gelandet ist + trauriges Emoji. Nicht mehr und nicht weniger.

Natürlich ist die Frage nach dem Warum groß. Aber fragen wir das auch? Und wenn ja, fragen wir es so, dass es möglichst nicht bereits eine selbst gefundene Antwort impliziert?

Schauen wir uns Kommentare jenseits von Mitleidsbekundungen an.
Hier wertende Kommentare zu der Frau, die sagt, dass sie mit ihren 2 Kindern auf der Straße gelandet ist:

“Das geht gar nicht. Nicht in unserem Land.”
”Sie muss etwas falsch gemacht haben. Selber Schuld.”
”Die armen Kinder. Wieso tut sie ihnen so was an?”
“Wo ist der Vater?”
“Hat die keine Freunde? Finde ich sus.”
”Geschichten aus dem Paulaner Garten.”
”Die will nur Aufmerksamkeit.”

In diesen Kommentaren wird über Informationen geurteilt, die gar nicht gegeben waren. Die Antworten basierend fast immer auf eigener Erfahrung, Vorurteilen basierend auf Medien und Allgemeinwissen, manche der Kommentare werten bereits endgültig und hinterfragen Nichteinmal.
Besonders problematisch wird das, wenn die Wertung rein Bauchgefühl basierend geschieht und nicht durch Auswertung möglicher Umstände.

“Das geht gar nicht. Nicht in unserem Land.”

Nach unserem Wissen über unser Sozialsystem, sollte das eigentlich gar nicht möglich sein (Allgemeinwissen). Wir haben Frauenhäuser, wir haben Bürgergeld, andere Sozialhilfen und Auffangnetze, die Menschen davor bewahren sollten, obdachlos zu werden. Aber das Wissen greift auch nur, wenn man davon ausgeht, dass die Aussage der Frau gleichzusetzen ist mit Obdachlos. “Auf der Straße landen” ist eine Phrase, die ich auch schon für mich genutzt habe. Ich habe bei meiner Mutter auf dem Sofa gewohnt. Ich saß nicht auf der Straße. Aber ohne sie wäre ich durch die Maschen des Systems gefallen und tatsächlich wortwörtlich auf der Straße gelandet, weil ich undiagnostiziert behindert war und so die Schutzsysteme nicht greifen konnte. Ich war aber auch nicht in der Lage, wegen der Behinderung, von der ich nichts wusste, mir selbst zu helfen. Weil die Behinderung genau dazu führt: Hilflosigkeit in einigen Bereichen. Ich habe eine Systemlücke offenbart. Bin ich interlektuell und kognitiv sogar in der Lage, hochkomplexe Systeme zu erfassen, schwierige Arbeiten umzusetzen, ist mein Nervensystem mit den falschen Reizen so schnell überlastet, dass ich einen Shutdown erleide und nicht mehr in der Lage bin, irgendetwas zu tun. Ich sah also nicht behindert aus, ich sprach nicht behindert, alles was da war, war meine Unfähigkeit, manchmal für Wochen nicht für mich zu sorgen. Während der korrekte Facharzt sehr einfach Autismus diagnostizieren konnte, war dieser Begriff zu meiner Zeit aber nicht mal in greifbarer Nähe. Ich erzähle das so ausführlich, weil es genau darum geht. Meine Lebensrealität war, dass ich beim Amtsarzt saß wegen Arbeitsfähigkeit, ich nicht erklären konnte, wieso ich manchmal nicht funktionierte, sie mir nicht geglaubt hat, ich non-verbal wegen dem Stress wurde, nicht mehr reden konnte und man mich so als Verweigerer eingestuft hat und damals noch auf 100% sanktionieren konnte. Mir fällt es also leichter, den Begriff zu hinterfragen, wegen Eigenerfahrung.
Für mich ging das in unserem Land sehr wohl.
Den ursprünglichen Kommentar gilt es abzuändern, damit er die Lebensrealität der anderen Person nicht abspricht und vor allem einen Weg offen lässt, diese kennenzulernen: “Das sollte eigentlich gar nicht möglich sein. Wie konnte das passieren?”
Wenn die betroffene Person uns selbst nicht antworten kann oder will, können wir entweder mit den Schultern zucken und nicht weiter urteilen. Oder wir können “Was wäre wenn…” spielen. Welche Szenarien braucht es, damit so etwas möglich ist?
Vielen fällt vielleicht gleich häuslicher Missbrauch ein. Bestimmte Bereiche unserer Gesellschaft arbeiten damit, Frauen von Bildung, Möglichkeiten, Besitz und vor allem Verständnis für Systeme fernzuhalten. Frauen, die vollständig vom Mann abhängig gehalten werden, laufen Gefahr, alles innerhalb kürzester Zeit zu verlieren, wenn dieser sie fallen lässt, oder sie dieses System verlassen wollen / können / müssen.
Wer von jetzt auf gleich auf die Straße gesetzt wird, hat erstmal schlechte Karten, direkt vom System aufgefangen zu werden, denn die Mühlen von Ämtern mahlen langsam. Frauenhäuser sind voll. Obdachlosenheime ebenfalls. Pflegestellen sind oft nur für Kinder zugänglich.
Überprüfen wir die Theorie anhand unseres eigenen Wissens, dabei wissend, dass nichts davon der Wahrheit entsprechen muss:
- Sie hatte nur ein eigenes Haushaltskonto mit wenig Geld.
- Er hat sie verlassen und nur Schulden zurückgelassen
- Oder sie musste aus einer wichtigen Spontanentscheidung heraus fliehen. Plötzliche, stärkere Gewalt als sonst wäre da möglich.
- Vielleicht war die Familie, ohne ihr wissen, bereits mit der Miete im Verzug und statt sich umzusehen, wie sie alles bewältigt, standen Gerichtsvollzieher und Co. vor der Tür. Wenn man dann nicht weiß oder von diesen Leuten die Hilfe bekommt, wie man sich nun zu verhalten hat - dann reichen ein paar verstrichene Wochen, und alles ist zu spät. Das weiß ich, weil ich auch das durch andere erlebt habe.
- Vielleicht musste sie schnell die Wohnung verlassen und Freunde haben sich gegen sie gewandt, weil sie zum Mann halten.
- Freunde hatten nicht die Mittel oder den Willen, zu helfen
- Vielleicht ist die Obdachlosigkeit nur vorübergehend, weil die Systeme nicht schnell genug greifen.
Fazit: Ausgehend davon, dass sie davon abgehalten wurde, sich selbst versorgen zu können und genug zu wissen, wie sie Hilfe bekommt, ist der Fall bis zur Straße schnell geschehen. Diese Rückschlüsse konnte ich allerdings nur durch Lebenserfahrung ziehen. Auch diese lassen sich weiter hinterfragen. Und genau darum geht es. “Warum?” ist die Anleitung zur Recherche. Ich weiß nicht mehr, welche Systeme heute greifen. Ich habe das alles vor nicht ganz 20 Jahren durchgemacht, da war die Gesetzeslage noch eine andere. Eventuell haben wir Glück und es existieren Artikel über Person in ähnlichen Situationen, die erklären, wie es dazu kam und welche Gesetze wie gegriffen haben.
Fakt ist jedoch: Es ist möglich.

“Sie muss etwas falsch gemacht haben. Selber Schuld.”

Ungleich der Tatsache, dass dies eine Verurteilung der Person ist, steckt auch hier wieder ein Weg zu besserem Verstehen dahinter. Diese Aussage wurde getätigt aufgrund der Annahme, dass eine Frau mit zwei Kindern nur durch eigene Fehler obdachlos werden kann, anders ginge das gar nicht. Dabei sind die gemeinten Fehler sicher stark persönliche Interpretation. Vorhin trafen wir die Überlegung, dass Sexismus und Unterdrückung zur Obdachlosigkeit hätte führen können, für einige Menschen ist es Schuld, wenn eine Frau sich so behandeln lässt. Wir müssen hier also mehrere Annahmen hinterfragen. Warum glauben wir, was wir glauben? Wieso urteilen wir, wie wir urteilen?
Faktisch können wir nicht belegen, dass sie etwas falsch gemacht hat. Dazu gibt es keine Informationen in ihrem Post. Entsprechend leitet sich die Schlussfolgerung vom eigenen Wissen ab und der Interpretation, was “falsch” ist.
Nehmen wir aber erstmal generell die Annahme, dass es durch einen Fehler dazu kam.
Es ist durchaus möglich, dass jemand anderes einen Fehler gemacht hat, was ihr den zustehenden Schutz verweigert. Oder noch extremer: Aktiv Schuld trägt, im besseren Wissen. Wie zu der Zeit, als mir eine Amtsärztin unterstellte, ich würde mich verweigern, weil ich nicht mehr sprechen konnte und nur noch hyperventilierend vor ihr saß. Ihrer Ausbildung nach, hätte sie sofort mannigfaltige Ansätze für physische und psychische Gründe erkennen müssen und diese angehen, doch das hat sie nicht gewollt. Sie hatte das Schreiben meines Psychologen, die Atteste der anderen Ärzte, dass ich aufgrund von einer entzündlichen, das Nervensystem befallenden Erkrankung nicht mal mehr in die Schule hatte gehen können - und dass ich mich davon gerade erhole. Sie hatte alle Informationen und hat sich dennoch basierend auf ihrer negativen Erfahrung mit Arbeitssuchenden gegen ihren Beruf und für ihre eigene Realität entschieden. Sie hat ihre persönlich beeinflusste Wahrnehmung nicht hinterfragt. Und auf genau so eine Person kann auch die Mutter getroffen sein. Oder aber, es gab einen total simplen Systemfehler. Wenn das Finanzamt in einem Schreiben von mir 4000 Euro Nachzahlung verlangte - weil sie sich beim Rechnen vertan haben - sodass ich am Ende sogar Geld wieder bekam - dann mag ich mir gar nicht vorstellen, was noch alles möglich ist. Uns fiel der Fehler auf, nicht dem Amt. Eine der gängigsten Aussagen über Ämter, die ich online ständig lese: “Die behaupten, sie hätten meine Unterlagen nicht erhalten. Dabei hab ich die sogar als Einschreiben abgeschickt.” Vielleicht hat auch jemand etwas in Eile falsch abgeheftet. Das wäre ein simpler Fehler.
Falsch machen - für viele ist “Falsch machen” bereits, dass man nicht “reich” ist. Diese Aussage lese ich oft unter TikTok Videos. “Du brauchst dafür staatliche Hilfe? So was muss man sich selber finanzieren können.” Wenn die eigene Lebensrealität einem all diese Möglichkeiten gegeben hat, dann fällt es vielen Leuten schwer, sich vorzustellen, dass nicht jeder kann, was sie können. Dahinter steckt der Glaube, dass Leistung aus jemanden einen korrekten Menschen macht. Es ist das System, was dies vorgibt. Wir leben in einem System, dass dich belohnt, wenn du ihm dienst. Kannst du das nicht, wirst du bestraft. Belohnung und Strafe sind hierbei bereits wertende Begriffe. Dies ist aber zulässig, denn wenn man die Möglichkeit, selbstbestimmt zu leben, erschwert bekommt, weil man arm ist, ist das kein neutraler Prozess, sondern eine negativ wertende Aktion vom System aus. Du hast weniger Zugang zu der Welt um dich herum. Kapitalismus. Du musst Geld verdienen und damit dem Land dienlich sein, um das System am Leben zu erhalten. Du brauchst ausreichend Geld, um alle Chancen des Systems nutzen zu können. Weiterführend: Um dem System zu dienen, müssen gewisse Normen erfüllt werden, um das System überhaupt nutzen zu können. Wenn ein Kind beide Eltern verliert, sinken automatisch dessen Chancen, im System zu funktionieren, nur, weil die Lebenswege sich für das Kind verändern und nicht mehr die vorrausgesetzten Wege des Systems bedienen können. Die persönlichen Konsequenzen sind dabei Nichteinmal einbezogen. Ein Kind trägt keine Schuld, wenn es die Eltern verliert, im Pflegeheim landet und somit erschwerten Zugriff auf Bildung und Sozialnähe hat.
Das hier von mir als “belohnen” und “bestrafen” interpretierte Spiel wird von vielen als “gut” und “böse” sein interpretiert. Womit wir zum Kern unserer Aussage durchdringen: “Selber Schuld. Ihr Fehler.” Dahinter steckt eine Abwertung. Neutral betrachtet kann man diese Rückschlüsse nicht zielen, da neutral betrachtet die Informationen und auch Umstände nicht gegeben sind. Emotional bertachtet, kann man diese Rückschlüsse basierend auf mehreren Annahmen treffen: Das System lässt das nicht zu. So etwas kann jede Person bewältigen, nur eigene Fehler führen zum Versagen. - Das kann sogar so weit gehen: Fehler sind schlecht. Schlechte Leute machen Fehler. Jemanden Versagen zu unterstellen, ohne die Umstände zu kennen, basiert auf einer abwertenden, menschenfeindlichen Grundhaltung. Andernfalls käme man von den gegebenen Informationen nicht zu dieser die Person als Schuldig framenden Schlussfolgerung. Eine ganze Reihe an Rückschlüssen müssen geschehen, um diese Unterstellung zu tätigen. Und wenn dies die ersten Rückschlüsse sind, können wir daraus wiederum eigene über die Person hinter der Aussage treffen und diese hinterfragen.
Wie passiert es, dass jemand sofort daran denkt, eine Mutter hätte Schuld an ihrer eigenen Notlage?
Wieso denken wir gleich an Fehler, die jemand gemacht hat? Weil das Teil unseres Lebens ist, oder? Darauf basiert alles um uns herum. Wir sind dazu angehalten, alles richtig zu machen. Richtig ist dabei gesellschaftlich vordefiniert, teils basierend auf Erfahrung, teils, weil es manchen Menschen besonders nützt. Frauen einzureden, sie wären weniger wertige Menschen und verdienen entsprechend weniger Menschenrechte, dient den Männern, die somit eine Machtposition über diese Frauen erhalten, weil sie deren Rechte bestimmen können und sie in Notlagen zwingen können, welche die Frauen dazu zwingt, dem Mann zu dienen, da er ihr Überleben kontrolliert.
Hinter Richtig und Flasch steckt ein hoch komplexes, gesellschaftliches Netz aus Werten, die wir schon in frühster Kindheit adaptieren. Leistung wird belohnt, Fehler werden bestraft. Wer viele Fehler macht, wird gesellschaftlich ausgegrenzt. Völlig ungleich, welche Art Fehler es sind. Fehler entstehen manchmal aus Fahrlässigkeit, aus Unachtsamkeit, per Zufall, mit guten Absichten - wir urteilen über Fehler je nach Grund unterschiedlich - und sind uns dabei nicht immer einig. Jemand macht einen Fehler, weil er sich hat ablenken lassen - der Wassereimer mit dem Dreck fließt über den Krankenhausflur - je nach Wertesystem wird es Menschen geben, die das als unfassbar erachten und die Person dafür hart verurteilen im Job nicht nach ihrem Maß ausreichend Aufmerksam zu sein, andere Menschen wiederum sehen in Unachtsamkeit ein eher mäßig normales Vorkommen. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Wer schon mal 8 Stunden am Tag, 6 Tage die Woche geputzt hat, weiß, wie anstrengend das ist. Körperliche Erschöpfung führt zu schlechteren Reflexen und auch mangelnder Aufmerksamkeit. Wir könnten so weit gehen und beanstanden, dass die Arbeitsbedingungen Schuld sind, dass die Person nicht ihr nötiges Maß an Aufmerksamkeit erfüllen kann. Und das ist es, was Hinterfragen ausmacht. Wenn jedoch ein Chirurg ein Messer im Körper des Patienten verliert, dann mah vielleicht die unmögliche Arbeitslast Schuld sein, er muss jedoch bei diesem Beruf ausreichend Bildung, Wissen und Achtsamkeit erlernt haben, um seine Grenzen zu kennen. Auch die schwere des Fehlers ist ein wichtiger Teil der Beurteilung. Doch sind es vor allem harte Urteile über winzige Fehler, die Menschen in die Furcht vor Fehlern und in die Schande treiben. Ich wurde als Kind oft für meine Konzenrationslosigkeit bestraft, durch schlechte Noten, Ausschimpfen und Abwertung. Ich habe ADHS. Konzentration ist für mich nicht so möglich, wie für andere. Dennoch wurde ich dafür bestraft und mit gleichem Maß gemessen. Also begann ich mit Ausreden und Lügen - und ich wurde verdammt gut darin. Während ich mich zu Beginn für Fehler entschuldigte, die entstanden sind, obwohl ich es hätte besser wissen müssen, ich mich aber gegen das Wissen aus Bequemlichkeit oder Leichtsinn entschied - begann ich auch bald, solche Fehler zu vertuschen. Denn ich hatte dem System entnommen, dass ich schlecht bin, wenn ich Fehler mache. Ich wurde bestraft, obwohl ich es nicht hätte besser machen können. Mir wurden keine Alternativen aufgezeigt oder die Alternativen als nicht erstrebenswert verkauft - und einige sind es auch nicht. In dem Moment, wo Menschen für einen Hauptschulabschluss abgewertet werden, kann dir ein Lehrer damit drohen. “Du kommst auf die Hauptschule, wenn du weiterhin so dumm bist.” Dabei sollte unser Schulsystem eigentlich lediglich verschiedene Leistungsmöglichkeiten und Leistungswünsche ermöglichen. Stattdessen wurde daraus ein Wertesystem. - Obwohl ich selbst mein ganzes Leben lang aus gesellschaftlicher Sicht nur Fehler machte, weil ich die Normen physisch nicht erfüllen konnte, bezog ich diese Fehler auf mich. Ich bin schlecht. Ich kann nichts. Ich bin eine Belastung. Ich bin ein böser Mensch. Ich bin Schuld. - Und so urteilte ich auch über andere, ungleich der Tatsache, dass ich selbst “nichts” leisten konnte, ich sah mich selbst als weniger wert. Betroffen sein hat mich nicht vor Fehlurteilen geschützt. Ich hatte dieses Wertesystem vollständig übernommen, denn es wurde mir so beigebracht, als ich noch kein Wissen besaß, um es überhaupt ansatzweise hinterfragen zu können. Wir alle wachsen damit auf. Wir sehen, wie andere ausgegrenzt werden, wenn sie einen Fehler machen. Wir beziehen Versagen, Leistung, Fehler, stark auf uns selbst und unsere eigene Verantwortung, weil wir immer so verurteilt wurden. Eine Person, die einer Mutter, die lediglich aussagte, nun auf der Straße zu sitzen, unterstellt, selbst daran Schuld zu sein, hat dieses Wertesystem ebenfalls vollumfassend adaptiert und urteilt danach. “Alles liegt in unserer Kontrolle.” Darin schwingt leise mit: “Einem guten Menschen wäre das nicht passiert.” Weil gute Menschen keine Fehler machen. Wieso sonst würde man als ersten Reflex einer verzweifelten Mutter die Schuld unterstellen und sie damit verletzen, wenn der Rückschluss nicht auf diesem Wertesystem basiert?

”Die armen Kinder. Wieso tut sie ihnen so was an?”

Diese Aussage ist eine direkte Weiterleitung aus der Schuldzuweisung, sie geht nur noch ein Stück weiter und legt den Glauben an die Bösartigkeit der Mutter offen.